Um eines gleich erst einmal klar zustellen,ich bin u.a. auch ein Automatik-Freund.
Trotzdem habe ich mir schon des öfteren Gedanken darüber gemacht,ob eine Automatik noch zeitgemäß ist.Die maximale Gangreserve bei solchen Uhren beträgt in der Regel zwischen 30 und 40 Stunden,wenn sie voll gespannt sind.
Bei den Gangtoleranzen,die eine Automatik hat,frage ich mich manchmal,ob Sinn sich nicht einmal Gedanken uber andere alternative Energieversorgungen machen sollte.
Ich denke als gutes Beispiel an die Eco Drive Technik wie z.B. sie Citizen entwickelt hat.Auch die Tough Solar von Casio.
Da liegen die Gangreserven wesentlich höher und zudem sind sie auch genauer als Automatikuhren
Was meint Ihr dazu?
Ganz einfach: Rein technisch und nüchtern rational betrachtet hast Du mit jedem einzelnen Punkt recht: Mechanische Uhren sind - als reine Zeitmeß- und -anzeigeinstrumente völlig obsolet. Quarzuhren, egal ob als Quarz-Chronometer oder als Funkuhr, möglichst noch solarbetrieben, sind erheblich genauer, haben eine längere "Standby-Zeit" (AKA Gangreserve) und sind obendrein auch noch weniger empfindlich gegen Stöße, Schläge und Temperaturschwankungen sowie fast völlig unempfindlich gegen Positions-/Lageverändernungen. Dazu sind sie auch noch sehr viel billiger in der Herstellung, weil sich Quarzwerke weitestgehend am Fließband herstellen lassen und selbst bei der Verwendung relativ billiger Komponenten noch präziser laufen als mechanische Werke.
Selbst der eingefleischteste Mechanik-Freak würde das nicht abstreiten (können). Soweit, so gut.
Aber: Die bewußte Entscheidung für eine mechanische Uhr ist doch keine Entscheidung für einen besseren Zeitmesser. Sie ist entweder ein Ausdruck der Freude an superpräziser Feinstmechanik oder an der größeren Ästhetik mechanischer Werke (schau Dir mal ein Quarzwerk an, das sieht doch vergleichsweise zum Gähnen langweilig aus). Eine Entscheidung für Mechanik mag sogar als Ausdruck des Schreis nach nachhaltiger Wertigkeit und des Protests gegen die Wegwerfgesellschaft gemeint sein - Quarzuhren werden, wenn sie defekt sind, i. d. R. weggeworfen, weil es billiger ist, eine neue zu kaufen als sie reparieren zu lassen - obwohl dies sicherlich nicht für alle Quarzuhren gilt.
Aus welchen Gründen auch immer jemand seine Entscheidung für Mechanik trifft, es ist in jedem Fall eine "Bauchentscheidung", gegen die rationalere Quarztechnik und für etwas, was scheinbar Leben versprüht, sich bewegt, unendlich kompliziert zu sein scheint und sozusagen als Symbol für die Schöpfungskraft des menschlichen Geistes steht. Erinnerungen werden wach an die Großen der Uhrmacherei. Hier nur mal eine winzige Auswahl:
- Peter Henlein, Erfinder der Taschenuhr
- John Harrison, Schöpfer des ersten Schiffschronometers
- Abraham Louis Breguet, Erfinder des Tourbillon, der berühmten Breguet-Spirale (wird heute noch bei Rolex verwendet) und der ersten Stoßsicherung
- Abraham Louis Perrelet, Erfinder des ersten automatischen Aufzugs für Taschenuhren
- John Harwood, Erfinder des ersten automatischen Aufzugs für Armbanduhren
- Hans Wilsdorf, Entwickler der ersten staub-, feuchtigkeits- und wasserdichten Armbanduhr, der Oyster. Die Aussage ist nicht übertrieben, daß ohne Harwood und Wilsdorf der Siegeszug der Armbanduhr im 20. Jahrhundert undenkbar gewesen wäre.
- Firma Eterna, deren Kugellagerrotor den Bau mechanischer Uhrwerke revolutionierte
Man könnte diese Liste übrigens noch lange fortsetzen. Aber ich denke, es ist schon deutlich geworden, was ich sagen möchte:
Mechanische Uhren trägt man nicht aus dem Wunsch heraus, den präzisesten aller möglichen Zeitmesser, mit der längsten Gangreserve usw. zu haben. Ebenso wenig, wie man einen 356 Porsche, Mercedes 190 SL oder einen Rolls-Royce Silver Ghost heute noch fährt, um damit Geschwindigkeitsrekorde aufzustellen.
Hochwertige mechanische Uhren versprühen eine Magie, der man sich nur schwer entziehen kann (ich kann es jedenfalls nicht, und ich bekenne mich auch dazu). Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, ob die Uhren so genau sind wie Quarzuhren. Sie sind - auch Dank des Fortschritts bei der Material- und Schmiermittelforschung für normale Alltagssituationen hinreichend präzise und unempfindlich. Und das sollte genügen.
Ich empfehle Dir übrigens mal diesen Artikel: http://www.zeitgefuehl.de/mechquar.htm und erweiterend, allerdings sehr pointiert dazu: http://www.zeitgefuehl.de/gwert.htm
[EDIT]
Hier noch mal Bilder zur Verdeutlichung meiner obigen Aussage "Langeweile bei Quarzwerken" und "Faszination der Feinstmechanik":
Ein Quarzwerk von ETA - für Ästheten ein trostloser Anblick
Immerhin ein Quarzwerk von Patek Philippe - trotzdem langweilig anzuschauen. :roll:
Dagegen dann hier:
Ein "Feld-, Wald- und Wiesenwerk" von Lemania - schon recht hübsch
Und hier werden Mechaniker-Träume wahr! :thumbup:
[/EDIT]