Ja, der Titel mag ein wenig reisserisch sein - aber er ist auch durch und durch ernst gemeint.
Immer wieder stoße ich über Marken (vorwiegend aus dem asiatischen Bereich, besonders HongKong und Malaysia / Singapur), die Produkte veröffentlichen, wo ich nur staunen kann... das ist ja soweit nichts neues. Sog. "Microbrands" stürmen seit Jahren den Markt.
Jüngst hat es aber mit "
Aventi" eine weitere asiatische Marke geschafft, den Weltmarkt zu erschüttern. Und zwar mit Uhren aus einem Voll-Saphir-Gehäuse, wie es Hublot und andere Hersteller in Uhren nutzen, die deutlich im 6-stelligen Euro-Bereich verkauft werden. Unter 100-200k geht da nichts, da oft auch noch Komplikationen wie ein Tourbillon mit dabei sind. Und dann kommt Aventi mit seiner A10 bzw.
A11 Kollektion. Die Firma schafft es tatsächlich nach eigenen Angaben (und ich kenne auch nichts anderes) das bei weitem komplexeste Saphir-Glas-Gehäuse mit einem Tourbillon zu bauen. Und das für - haltet euch fest - für
$2800!
Okay okay - ich muss zugeben, dass der Preis von einem
"ABlogToWatch" Artikel stammt und es sich dabei um einen Einführungspreis gehandelt hat. ABlogToWatch hat sich im März diesen Jahres zu einem "Sponsered Post" haben hinreissen lassen. Hier sind auch viele Bilder wie dieses zu sehen:
[1] Aventi A11 mit komplettem Saphirglas-Gehäuse sowie Tourbillon Uhrwerk
Die Uhr wird laut anderen Quellen mittlerweile als "A11" verkauft während als "A10" nur noch die Uhren mit "normalem" Titan-Gehäuse bezeichnet werden. Offenbar war das Echo so positiv, dass die Saphir-Varianten mittlerweile satte
$5000-$6000 kosten, den genauen Preis hab ich nicht mehr im Kopf. Dennoch - eine solche Uhr für um die 5000€ ist verglichen zur gesamten Konkurrenz absolut beeindruckend und zeigt wieder ein Mal mehr, was die "tatsächlichen" Fertigungskosten einer solchen Uhr sind. Ich bin mir sehr sicher, dass in diesem speziellen Fall von "Aventi" sowohl Hublot als auch Aventi selbst die Gehäuse bei einem spezialisierten Hersteller fertigen lassen. Und bei diesen Preisen sieht man eben, dass die Herstellung nicht so abartig teuer sein kann, wie viele Hersteller behaupten, sondern eher Marketing und zum größten Teil wohl der bekannte "Marken-Prestige" eine Rolle spielen, den jeder Hersteller wohl selbst nach eigenem Gusto bepreist... das Tourbillon-Uhrwerk kommt übrigens natürlich auch von einem Zulieferer, und zwar von PTS Resources HongKong. So ist es auch vielen "Microbrands" möglich, Uhren mit solchen Komplikationen anzubieten, wie es bspw. auch "Zelos" mit deren sog. "Halo Watch" "Mirage Tourbillon" macht. Nur kommt hier das Uhrwerk tatsächlich aus der Schweiz, weshalb der Preis auch höher ist (mit
$10.900 aber immer noch ein Schnäppchen vgl. mit der Schweizer Konkurrenz).
[2] Zelos Mirage Tourbillon mit schweizer Uhrwerk für $10.900 - alle verfügbaren Modelle bereits ausverkauft.
Ein weiterer Vertreter ist hier Code41, über die hier im Forum auch schon ein Mal diskutiert wurden. Auch hier sind die Designs polarisierend und zielen ganz klar auf die teureren Schweizer "jungen" Alternativen wie Urwerk, DeBethune & Co. die allerdings ein vielfaches mehr kosten als die asiatischen Konkurrenten. Würde mir eine solche Uhr gefallen, egal ob Code41 oder Aventi? Nein, sicher nicht. Find ich sie cool? Ja, definitiv:
[3] Code41 X41 mit ebenfalls schweizer Uhrwerk für 5390 Euro
Besonders interessant finde ich hier die Transparenz-Offensive, die Code41 fährt. Ob das ganze realistisch ist, kann jeder für sich selbst entscheiden - die Richtung dürfte aber durchaus nicht weit von der Realität entfernt sein:
[4] Code41's Transparenz-Bericht, selbsternannt "TTO"
Was bedeutet das also?
Auf der einen Seite finde ich es höchst beeindruckend, was die Asiaten mithilfe (auch Schweizer!) Zulieferer besonders bei den High-End-Uhren leisten können. Preis-/Leistungs-mäßig zerstört das einfach mal komplett die Schweizer und generell europäische Uhrenindustrie, die mit solchen Preisen NIE mithalten können bzw. auch nicht wollen. Und ich denke das ist genau der Punkt - denn wer ist die Zielgruppe solcher High-End-Uhren? Nicht der Otto-Normalverbraucher, auch nicht der ambitionierte Uhren-Fan. Uhren weiter über 100.000 Euro zielen schon klar auf eine "elitäre" Käuferschicht ab. Diese Leute WOLLEN explizit diesen Luxus, v.a. auch um sich von der Masse abzuheben. Das ist Teil des Spiels würde ich mal sagen. Ein US-Rapper, der 4 Richard Mille Uhren im Millionen-Wert gleichzeitig trägt, würde keine Aventi Uhr für $5000 kaufen. Deshalb ist meine Meinung, dass solche Hersteller aus Fernost den europäischen Luxus-Uhren-Markt nicht wirklich empfindlich treffen werden. Es gibt schließlich immer noch einen großen Käuferkreis, der diesen überteuerten Luxus bewusst WILL. Schließlich ist auch eine mechanische Uhr für 1000€ ein überflüssiger Luxus, den wir "kleine Leute" uns leisten. Denn eine 10€ Casio wäre präziser - aber das wissen wir natürlich auch.
Für mich hat sich nur die Wahrnehmung von Uhrmacherkunst und Werten stark verändert. Vor ein paar Jahren fande ich eine solche Saphir-Hublot noch beeindruckend und hatte Ehrfurcht vor dem Preis und dem Aufwand, der in eine solche Uhr fließt. Heute sehe ich das etwas anders. Natürlich ist das ganze immer noch extrem aufwendig. Wenn es aber mittlerweile die Asiaten schaffen für solch niedrige Preise praktisch dasselbe anzubieten (und das sogar auch noch mit schweizer Werken teilweise), hat mir das etwas den "Charme" und die "Magie" genommen. Nichts ist heute mehr unmöglich. Und für mich ist jede Uhr jenseits der 10.000€ einfach unrealistisch geworden. Natürlich bekommt man manchmal auch spürbar mehr ab einem gewissen Preis, aber hier kommt dann wieder das berühmte
Pareto-Prinzip zum Tragen:
"Das Paretoprinzip besagt, dass 80 % der Ergebnisse mit 20 % des Gesamtaufwandes erreicht werden. Die verbleibenden 20 % der Ergebnisse erfordern mit 80 % des Gesamtaufwandes die quantitativ meiste Arbeit."
Und genau das ist bei mir persönlich mittlerweile der Knackpunkt. Uhren, die gefühlt diese magische 80% Grenze erreicht haben, sind mir - selbst für meine Luxusansprüche - ausreichend genug. Auch wenn eine Uhr mal jenseits der 10k rutscht, P/L muss einfach halbwegs passen. Aber so rechnet natürlich nicht jeder, ich bin da eher Realist und Pragmatiker. Das ECHTE Luxus-Uhren-Segment wird denke ich weiterhin seine Käuferschaft haben - die asiatische Konkurrenz belebt aber meiner Meinung nach erfolgreich das Geschäft und ermöglicht es nun auch Uhrenfans für weitaus weniger Geld beeindruckende Uhren zu erhalten, wenn man an solch polarisierenden Modellen interessiert ist.
Ich weiß, dass das Thema schon öfter besprochen wurde. Aber ich wollte gerade mit "Aventi", was mir bis vor kurzem kein Begriff war, nochmals eine solche Marke aus der Schiene vorstellen.
Deshalb abschließend meine Frage:
Wie seht ihr das??
Und was haltet ihr von solchen exotischen Uhren, die neue Materialien kreativ nutzen und oft weit weg von einer "normalen" Uhr sind? Würdet ihr 5-10k für eine reizende Asiatin ausgeben oder lieber bei den klassischen Schweizer bzw. Deutschen Marken in dieser Preisklasse bleiben?
Bild-Quellen:
[1] https://www.ablogtowatch.com/aventi-make…new-a-10-watch/
[2] https://zeloswatches.com/collections/mirage-tourbillon
[3],[4] https://code41watches.com/projects/x41/