Er hat die Zentralschweiz geprägt
Erst im August erfolgte der selbst für Kenner überraschende Verkauf seines Unternehmens an den
Luxusuhrenhersteller Rolex. Nun ist der Luzerner Uhrenpatron Jörg Bucherer im Alter von 87 Jahren verstorben.
Gregory Remez
und Maurizio Minetti
Noch vor wenigen Monaten hatte Jörg Bucherer weltweit für Schlagzeilen gesorgt. Mit der Bekanntgabe des Verkaufs seines Unternehmens an Rolex, der mit Abstand grössten Luxusuhrenmarke der Welt, brachte er mit einem Schlag eine ganze Industrie in Aufruhr. Nun geht erneut ein Raunen durch die Uhrenbranche. Diesmal ist der Anlass allerdings ein trauriger. Wie das Unternehmen auf Anfrage bestätigte, ist Jörg Bucherer am Montagabend im Alter von 87 Jahren verstorben.
Jörg Bucherer hatte das gleichnamige Familienunternehmen, das 1888 vom legendären Uhrenpionier Carl-Friedrich Bucherer gegründet worden war, in dritter Generation geführt, zuletzt als Präsident. 1977 übernahm er die Geschäfte von seinem Vater in einer Phase, in der die Schweizer Uhrenindustrie wegen des Aufkommens günstiger Quarzuhren aus Japan kriselte. Mit einer unbeirrten Expansionsstrategie schaffte es Jörg Bucherer allerdings, das kleine Luzerner Unternehmen innert weniger Jahrzehnte zum weltgrössten Uhren- und Schmuckhändler zu formen.
Schweigen zum
Milliardendeal mit Rolex
Heute beschäftigt Bucherer etwas mehr als 2400 Mitarbeitende und ist allein in Europa an 36 Standorten vertreten, davon mit 16 Filialen in der Schweiz. Seit der Übernahme des US-amerikanischen Luxusuhrenhändlers Tourneau im Jahr 2018 ist Bucherer zudem mit 34 Geschäften in den USA vertreten. Gemäss Schätzungen setzt das Unternehmen jährlich 1,8 bis 2 Milliarden Franken um. Zahlen veröffentlicht das Familienunternehmen nicht. Die Zentrale befindet sich auch heute noch in Luzern. Mit Jörg Bucherer verliert die Schweiz einen grossen Unternehmer und Patron alter Schule. Er trat selten öffentlich auf und gab noch seltener Interviews. Auch über die milliardenschwere Vermählung mit der Rolex-Gruppe aus Genf gab er nicht öffentlich Auskunft – eigentlich ein Husarenstück, mit dem er die Zukunft seines Unternehmens sicherte. Dort hatte er als Verwaltungsratspräsident und alleiniger Inhaber stets das letzte Wort, auch wenn das operative Geschäft der Juwelierkette seit 2009 von CEO Guido Zumbühl geführt wird.
Jörg Bucherer hatte keine direkten Nachkommen, weshalb er sich wohl letztlich zu einem Verkauf an das langjährige und wichtigste Partnerunternehmen Rolex entschied; mehr als die Hälfte der weltweit über 100 Bucherer-Geschäfte vertrieben zuletzt die bekannte Marke mit der goldenen Krone. Über den Mega-Deal haben beide Parteien Stillschweigen vereinbart. Mit dem Verkauf dürfte der Patron sein Vermögen, das von der «Bilanz» auf 2 bis 2,5 Milliarden Franken geschätzt wird, aber nochmals substanziell erweitert haben. Gemäss Schätzungen beträgt der Verkaufserlös rund 4 Milliarden Franken. Jörg Bucherer engagierte sich aber nicht nur in seinem Unternehmen, sondern auch für den Zentralschweizer Tourismus, der gerade für die Uhrenbranche von grosser Bedeutung ist.
2008 verlieh das Tourismus-Forum Luzern dem Unternehmen einen Award. «Es ist kein Geheimnis, dass viele Touristen nur deshalb nach Luzern kommen, weil sie beim berühmten Bucherer einkaufen möchten. Uhren kauft man in Luzern», sagte der damalige Präsident des Forums, Walter Schmid. «Mitarbeiter von Bucherer besuchen jedes Jahr rund 120 Reisebüros vor Ort und werben für Shopping in Luzern», begründete Schmid in seiner Laudatio. Zudem habe Firmeneigner Jörg Bucherer in seiner Firma schon früh eine eigene Tourismusabteilung installiert. «Oft war Jörg Bucherer einer der ersten Zentralschweizer, der in den Zukunftsmärkten Werbung machte und Gäste nach Luzern brachte.»
Wichtige Stütze
für den Tourismus
An der damaligen Preisvergabe war Jörg Bucherer nicht zugegen. Dafür sagte der damalige Bucherer-CEO: «Wir engagieren uns seit dem Zweiten Weltkrieg aktiv für den Tourismus. Und wir helfen gerne hinter den Kulissen mit.» Beispielsweise habe das Unternehmen aktiv bei der Umgestaltung vom früheren Verkehrsverein zur heutigen Luzern Tourismus AG beigetragen oder sich als Millionensponsor für das KKL betätigt.
Kritik von links
nach Jobabbau
Jörg Bucherer musste sich in seiner Karriere auch Kritik gefallen lassen. Während der Corona-Pandemie kündigte das Unternehmen harte Sparmassnahmen an. 370 Stellen wurden gestrichen, davon 170 in Luzern. Im August 2020 kritisierte die SP des Kantons Luzern deshalb, Jörg Bucherer könnte «mit einem Bruchteil seines Vermögens» die Löhne über Jahre bezahlen. «Jetzt müssen jene, die ihm das Geld verdient haben, gehen. Die Öffentlichkeit muss einspringen.»
Gegen diese Kritik wehrte sich nicht etwa Jörg Bucherer persönlich, diverse Wirtschaftsvertreter übernahmen die Aufgabe. Bucherer habe über Jahrzehnte einen wesentlichen Anteil zum Steuersubstrat beigetragen und Hunderten von Familien ein Einkommen ermöglicht, betonte etwa der Wirtschaftsverband Stadt Luzern. Drei Jahre später zeigt sich: Heute beschäftigt Bucherer mit über 620 Angestellten fast gleich viele Personen in Luzern wie vor der Pandemie. Ein Stellenabbau infolge des Verkaufs an Rolex ist kein Thema, eher hat Bucherer derzeit viele offene Stellen.
Das Vermögen von Jörg Bucherer dürfte gemäss «Handelszeitung» grösstenteils einer Stiftung zufliessen. Trifft dies zu, könnte Bucherer für Luzern ähnlich bedeutend werden wie Rolex-Gründer Hans Wilsdorf für Genf. Für die allermeisten war er das aber ohnehin bereits zu Lebzeiten.
Aus dem E-Paper der „Zuger Zeitung“ vom 08.11.2023
Gruss
Christian