Prolog:
Der besseren Übersichtlichkeit wegen habe ich diese Vorstellung in »Kapitel« (eigene Posts in diesem Thread) eingeteilt.
Ich hatte in der Wartezeit genügend Gelegenheit an dieser Vorstellung zu arbeiten, daher ist sie recht … umfangreich … geworden; ich hoffe einigen von Euch etwas Lesevergnügen zu bereiten, ansonsten einfach weiterklicken
PostProlog 2:
Nun habe ich die Uhr schon ein, zwei Tage. Meine Begeisterung steigert sich weiter.
Das ungewöhnliche Gehäuse, das tolle Band, aber noch viel mehr die Dreidimensionalität des Zifferblattes, das wechselnde Spiel der Reflexionen und das Glitzern des Mondes … ich muss dauernd hingucken.

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Vorstellung:
Endlich mal wieder eine Neuvorstellung und schon wieder keine Sinn …
Schade eigentlich, da für mich mein derzeitiger persönlicher Favorit im Sinn-Programm mit dem EZM7S klar feststeht (oder doch die U1SE? oder wohl eher die UXS?)
Dennoch »mussten« alle Ressourcen in eine völlig andere Uhr (vielleicht ist dies meine Exit-Uhr; aber nicht etwa aufgrund der Eigenschaften, sondern aufgrund des Preises, haha) fließen – die aber interessanterweise ein paar klare Ähnlichkeiten mit Sinn aufweist:
Auch meine Neue ist von einem inhabergeführten Unternehmen, das auf eigene, nicht anderweitig in dieser Form erhältliche, Lösungen setzt.
Und dennoch eine ganz andere Uhr als meine (gerade mal zwei) Sinns.
Während Sinn auf Gehäusekompetenz und funktionale Zuverlässigkeit setzt, wird hier der Schwerpunkt auf clevere, mathematische Uhrmacherlösungen, Individualität und – ja – Ablesbarkeit (i. W. des Datums) gesetzt. Was wiederum ja an Sinn erinnert.
ochs und junior ist eine (sehr) kleine Firma, gegründet von Ludwig Oechslin, einem der bedeutendsten Uhrmachern unserer Zeit, und Beat Weinmann, einem erfahrenen Uhrenhändler, mit dem Ziel die innovativen Konstruktionen von Oechslin in einer eigenen Uhrenmarke auf den Markt zu bringen.
Oechslin ist Doktor der Physik, Philosoph und Uhrmacher und hat sich u. a. als Leiter Musée International d’Horlogerie“ (MIH) in La Chaux-de-Fonds, als Restaurator und — wohl am bekanntesten – mit seinen Konstruktionen für Ulysses Nardin (zusammen mit dem damaligen Besitzer Rolf W. Schnyder) einen Namen gemacht. (Ulysse Nardin ist übrigens auch Teilhaber von ochs und junior.)
Oechslin setzt dabei auf einfache Lösungen für komplexe Probleme, seine Konstruktionen vermeiden beispielsweise Federn und Hebel sondern setzen auf wartungsarme Zahnradsysteme und auf Einbeziehung des Zifferblattes in die Lösung. Aber auch Gehäuse, Bänder etc. folgen dieser Philosophie.
Swiss made und Transparenz sind weitere Werte, die ochs und junior besonders wichtig sind. Dabei passiert die Entwicklung intern, die Produktion ist wird größtenteils ganz bewusst über Partner erledigt. Mit sechs Mitarbeitern (Oechslin (R&D), Weinmann (CEO, Vertrieb, Disposition) einem IT-Mann und drei UhrmacherInnen) ist das ja auch kaum anders machbar;-)
Was fasziniert mich so an dieser Uhr?
So richtig sagen kann ich das gar nicht.
Aber schon seit vielen Jahren bin ich »an ihr dran« und nach dem Besuch in Luzern vor ein paar Jahren wurde es noch schlimmer.
http://www.sinn-uhrenforum.de/index.php?…zern#post116496
Ich versuche aber mal zu erklären, was mich so begeistert:
Exklusivität/Understatement:
Diese Uhr sieht man sehr selten bis nie, es gibt keine Werbung und keine Schaufenster-Anteile, niemand erkennt sie und es gibt auch so gut wie keinen Gebrauchtmarkt
Wert:
Was man hier erwirbt, ist das Produkt des vielleicht genialsten Uhrmachers unserer Zeit; was immer man liest und wo immer man hinschaut: wer sich mit Uhren befasst, wird immer über Ludwig Oechslin und seinen Beitrag zur Uhrmacherei stolpern; tatsächlich ist es mir viel »Wert« eines seiner Werke zu besitzen
Für die Auto-Freunde unter Euch:
https://www.ochsundjunior.swiss/de/rolls-royce/
Technik:
Keep It Super Simple: das benötigt außergewöhnliche Ideen und Talente, die Umsetzung ist dann genial einfach und zuverlässig;
heißt hier: eine der genauesten Mondphasen-Anzeigen am Markt mit nur fünf Teilen realisiert, darunter keine Hebel o. ä., nur wartungsarme Verzahnungen;
hierfür – und für das (aus jeder Entfernung ablesbare) Datum – wird das Zifferblatt als konstruktives Element mit genutzt
Design:
Form Follows Function: diese Uhren sind anders; aber nicht einfach um anders zu sein, sondern aus grundsätzlichen Überlegungen heraus und mir (das ist nun sehr individuell) gefällt auch das daraus resultierende Design;
oft wirkt »anders« ja etwas »gewollt«, das ist hier m. E. überhaupt nicht so
(In einem anderen Forum habe ich mal (sinngemäß) gelesen „ich kaufe doch keine Uhr für 8k€, die dann nach 50€ aussieht“; einerseits finde ich das überhaupt nicht, andererseits ist es mir auch schnurz. Dass diese Uhr aber nicht jedem gefällt ist klar und sehr verständlich.)
Konzept:
Jedes Detail, vom Werk über Gehäuse, Bandanstöße, Band, Schließe einerseits und Firmenphilosophie andererseits ist stimmig und mit den jeweils anderen Elementen »in sync«
Eine Kurzzusammenfassung gibt es hier; besonders interessant finde ich die »aktive« Einbeziehung des Zifferblattes in die Mond/Datums-Darstellung sowie die Gehäusefertigung:
https://www.ochsundjunior.swiss/watches/…ase/tech-specs/
https://www.watchtime.net/uhren/14-ungew…ondphasenuhren/
Portfolio:
Eine Mondphasenuhr wollte ich (obwohl sehr wenig esoterisch veranlagt) schon immer haben;
die Mondphasen-Komplikation gehört irgendwie (i. W. wohl durch Blancpain) zur Renaissance der mechanischen Uhr)
Individualität:
»Trotz« der o. g. Punkte kann jede Uhr extrem stark individualisiert werden
Warum habe ich meine Uhr genau so konfiguriert?
Ich habe gefühlte 500 Designs im Online-Konfigurator ausprobiert, nichts hat mir so richtig gefallen. Ich kann das offensichtlich einfach nicht wirklich gut.
Beurteilen ist ja sooo viel einfacher als selbst machen!
Vor Ort, mit Hilfe von Hr. Weinmann und meiner Designbeauftragten (im richtigen Leben Architektin und tollste Frau der Welt), habe ich mich für eine Gestaltung ausgesprochen, die das ochs und junior-Konzept verstärkt und auf aufgetragene Farben (obwohl sehr schöne zu Verfügung stehen) und Leuchtmasse verzichtet.
Alle Oberflächen sind roh resp. patiniert bzw. in das Material eingefräst.
Beim Patinieren können auch Farbtöne verändert werden, so geht der Himmel ins Blaue, die Sekundenscheibe (!; statt -Zeiger) ist in Anlehnung an die Himmelsscheibe von Nebra patiniert.
Um einen Stein in den Zen-Garten zu werfen, habe ich dann aber doch den kleinen Datumspunkt in meiner Lieblingsfarbe Orange gewählt.
Das Gehäuse ist ein 42mm, als Band habe ich das seltene Stör-Leder gewählt.
(s. auch separater Post zum Design)
Zu guter Letzt: der Preis!
8.500 € sind ein Haufen Geld.
Ein monströs großer Haufen Geld.
Besonders für eine Uhr mit einem 2824 plus einem Modul aus fünf Bauteilen.
Bei Sinn bekommt man dafür den EZM7S gleich drei Mal. Inklusive Härtung und Schwärzung, Spezial-Öl, Trockenhalte-Technik, Magnetfeldschutz und Drehring (plus die zweite Zeitzone).
Ich sehe ochs und junior aber »ganz vermessen« weniger im Vergleich zu Sinn, Rolex oder Omega, als vielmehr dreist in einer Gruppe mit Firmen wie Laurent Ferien Ressence oder F. P. Journe (oder Moser;-)). So betrachtet relativiert sich der Preis
Wer mehr über ochs und junior erfahren will sollte neben der Homepage (die viel umfangreicher ist, als es zuerst den Eindruck macht) auch Ludwig Öchslin googeln (ein Universalgelehrter, der bei seiner Preisverleihung der Fundation de la Haute Horlogerie (FHH) gerne mal als Ring eine Schlauchschelle trägt.).

(s. auch separater Post zum Preis)
Übrigens:
Meist ist die Genauigkeit des Mondphasen-Mechanismus 122,5 Tage. Auch bei sehr teuren Uhren.
Von Moser und ein paar anderen gibt es welche mit knapp über 1000 Jahren. Für das doppelte dessen, was die ochs und junior kosten (ok, dafür in Edelmetall).
Den Genauigkeits-Rekord hält ochs und junior nicht – vermutlich aber ganz locker, wenn mann die Genauigkeit und den Preis in’s Verhältnis setzen würde:
Bei der ochs und junior muss die Mondphase erst nach 3.478,27 Jahren um einen Tag korrigiert werden …
(ok, auch dann nicht; die genaueste ist meines Wissens die Andreas Strehler Lune Exacte mit 2 Mio. Jahren für nur 112.000€; aber mit knapp 2,5€ pro Jahr Genauigkeit schlägt ochs und junior die Langes, JLCs und Omegas etc. immer noch bei weitem und ist so gesehen ein Schnäppchen …)
https://www.watchtime.net/uhren/6-besond…dphasenanzeige/
http://www.manager-magazin.de/lifestyle/…-a-1131240.html
Übrigens 2:
wie schon erwähnt, wird für die Mondphasenanzeige das Zifferblatt mit genutzt. Dazu bekommt der Ausschnitt eine spezielle Form.
Und siehe da, das gibt es auch bei Patek Philippe!
Man muss die Seiten von Ochs und Junior schon genau durchforsten, um den dezenten Hinweise zu finden, dass Ochs und Junior dieses Konstruktionsmittel VOR der Lancierung der Patek dokumentiert hat;-)
https://www.ochsundjunior.swiss/de/patek-philippe/
Übrigens 3:
Prof. Dr. Hartmut Esslinger, der berühmte deutsch/amerikanische Designer der u. a. für Apple, Luis Vuitton und eben Schauer/Stowa gearbeitet hat besitzt auch eine ochs und junior …
https://www.ochsundjunior.swiss/honored/
Tatsächlich wird man eine ochs und junior wie eine Rolex immer wieder sofort erkennen!
Noch zusammenfassend ein paar grundsätzliche Daten:
Gehäuse aus Titan Grade 5
Zweiteiliges Gehäuse (ohne Boden) aus dem vollen gefräst, ohne Werkhalterung; Boden/Gehäuse und Oberteil/Lünette werden über vier Schrauben von unten zusammengehalten
42 mm Durchmesser, 11mm hoch, 5 bar dicht
Anstöße ungewöhnlich kurz und super bequem, 22mm
Leicht gewölbtes Safirglas, beidseitig entspiegelt
Zifferblatt und Zeiger aus Messing patiniert und/oder roh (teilw. lackiert (Datumspunkt) resp. mit Platin (Vollmond) belegt), Indizes eingefräst
Band aus Störleder, wasserfest
Schließe aus Titan, so konstruiert, dass keine Keeper nötig sind
(Fun Fact: Die farbige Bedruckung des Blattes (bei mir nur der Datumspunkt) macht Cador, die auch Zifferblätter für Sinn machen.)
So und jetzt: Bilder!
(leider nicht so richtig gut, da ich zuerst kaum Zeit und Muße hatte und nun das Wetter/Licht genauso mies ist wie die Internetverbindung.
Die Fotos werden der Uhr leider nicht gerecht, ich liefere aber bestimmt bald bessere nach.
Außerdem ist ja bald Stammtisch.